Die Hauptmotivation Jazz zu studieren war für mich die Tatsache, dass es dort noch eine lebendige Improvisationskultur gibt, im Gegensatz zu dem heutigen Klassik-Betrieb, in dem diese beinahe vollständig verkümmert ist. Doch eigentlich ist Improvisation ein menschliches und musikalisches Grundbedürfnis, das völlig unabhängig von den verschiedenen Stilistiken und Musikrichtungen besteht. Als ich vor über 10 Jahren damit anfing mich für Alte Musik zu begeistern, fand ich es deshalb sehr interessant und aufschlussreich zu erfahren, dass in der europäischen Musik von den frühen Anfängen bis weit ins 19 Jahrhundert. hinein die Improvisationskultur ebenso erblühte wie das heute im Jazz der Fall ist.
Da Improvisation ein elementares, natürliches Grundbedürfnis ist, lässt sie sich wunderbar im Saxophon-Unterricht anwenden und entwickeln. Die größte Schwierigkeit liegt zunächst darin, dass viele Schüler (besonders die Erwachsenen) der Meinung sind, völlig unmusikalisch zu sein und überhaupt nicht improvisieren zu können, und sich verstandesmäßig dem Thema vollständig verschließen. Was sich in diesem Fall sehr gut bewährt hat, ist ein Sprung ins kalte Wasser (manchmal ist dazu auch ein kleiner Anstoß von hinten notwendig). Der Schüler bekommt einen einzigen Ton zu Auswahl, mit dem er sein erstes Solo über eine harmonisch-rhythmische Begleitung spielen und improvisieren kann. Bisher habe ich es noch nicht erlebt, dass irgend jemand dazu nicht in der Lage wäre. Der nächste Schritt liegt darin, stufenweise das Tonmaterial zu erweitern, bis ein Dreiklang entsteht, dessen Terz-Intervalle schließlich mit Sekunden aufgefüllt werden können, bis sich ein vollständige Tonleiter ergibt.
Sehr gute Erfahrungen konnte ich auch mit dem Dialog-Prinzip machen. Die Sprache und verbale Kommunikation dienen dabei als Referenz für das Musizieren und Improvisieren. Der Schüler bekommt die Aufgabe mit Tönen eine kleine Geschichte zu erzählen und zu gestalten. Dabei geht es darum, eine dramaturgische Spannung aufzubauen und verschiedene Episoden mit einzubauen, um die musikalische Geschichte spannend und fesselnd zu gestalten. Erfahrungsgemäß können das die meisten Schüler erstaunlich schnell umsetzen, schließlich hat jeder Mensch in seinem Leben schon unzählige Geschichten gehört, erzählt und selbst erfunden.
Sehr gute Erfahrungen konnte ich auch mit dem improvisieren über Volkslieder oder andere einfache Stücke, die man gut im Ohr hat, machen.. Dabei versucht der Schüler zunächst die Melodie nach Gehör nach zuspielen. Wenn ihm dies gelingt, kann er versuchen die gleiche Melodie nach Gehör in anderen Tonarten zu spielen, um daraufhin die Melodie rhythmisch zu verändern, um schließlich das Thema zu um spielen und zu variieren, sodass man sich immer mehr von der ursprünglichen Melodie entfernt.